i-Witz
Freitag, 28. Juni 2013
Still und starr

Es heißt, die Eifelkrimiautoren liebten ihre Eifel. Und doch machen sie daraus regelmäßig einen Ort des Schreckens. So auch Ralf Kramp in "Still und Starr". Er bringt es auf nicht weniger als fünf Tote auf nur 180 Seiten! Sie trauen offenbar der ländlichen Idylle nicht.

Auch der Ich-Erzähler ist längst geflüchtet und hat die letzten Jahre in der Großstadt Köln verbracht - kein Polizist, kein Detektiv, ein Werber trägt die Kriminalgeschichte. Er kommt zurück in das Dorf, als er in einer persönlichen Krise steckt. Er war jahrelang nicht mehr dort. Die Mutter ist lange tot, der Vater, ein Arzt, hat sich vor Jahren das Leben genommen, warum, weiß er nicht. Aber sein väterlicher Freund, den er lange vernachlässigt hat, wohnt dort noch mit seiner Frau.

Die Geschichte ist angenehm komplex. Wegen seines Doktortitels (in vergleichender Sprachwissenschaft) wird er für einen Arzt gehalten und zu einem Todesfall gerufen. Ein Toter liegt in einer Güllegrube - kein natürlicher Tod. Die Polizei übernimmt, unser Held kann sich dem alten Freund und seiner Vergangenheit widmen. In dem kleinen Dorf trifft er auf bemerkenswert viele alleinstehende Menschen: der gutaussehende Grieche, der aber ständig abwesend ist, die neugierige Nachbarin des Griechen, ebenfalls eine Zugezogene, die sich mit ihrem Kanarieenvogel trösten muss; die schöne Tierpräparatorin; des Bauern ledige Schwester, der als schwul und pädophil verschriene Exlehrer. Und er trifft auf jede Menge tote Tiere.

Durch Zufall findet er heraus, wer der Tote sein könnte. Er folgt seiner Neugierde und entdeckt dabei ungeahnte Zusammenhänge zwischen dem Toten in der Güllegrube, einer weiteren Toten in Trier, dem verschwundenen Griechen und seinem toten Vater. Dabei müssen noch zwei weitere Menschen sterben und der Protagonist selbst gerät - wie soll es anders sein - in höchste Gefahr. Nebenbei verliebt er sich auch noch - was dem Buch einen klitzekleinen Hauch von Erotik und der negativen Stimmung einen hoffnungserahnenden Touch verschafft, und wichtiger noch, was den Helden am Ende rettet.

Wie (fast) jeder Krimi ist auch dieser eine konstruierte Geschichte, zum Glück lauern nicht hinter jeder ordentlich gewaschenen Gardine auf dem Land Chaos, Verzweiflung und Tod. Die Atmosphäre ist dicht, das Tempo hoch, die Charaktere knapp, aber für die kurze Geschichte ausreichend gezeichnet. Mir hat es gut gefallen, ich war am Ende nicht enttäuscht. Ich liebe Eifelkrimis.

Ralf Kramp, Still und starr.
erschienen bei KBV

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Freitag, 21. Juni 2013
Schwitzen, erfrischen, weiterschwitzen

Das heiße Wetter zieht weniger Menschen an den Rhein, als ich dachte. Wissen die nicht, dass das Hochwasser wieder zurückgegangen ist? Schön - am Ufer ist es leerer als zur Mittagszeit, erst recht als an den meisten Sonntagen. Nur die Mücken sind alle gekommen und versuchen, uns das improvisierte Picknick zu verleiden. Der Fluss fließt dahin, die Schiffe tuckern, der Blick nach Westen reicht weit. An vielen Stellen steht noch das Wasser, überall riecht es faulig, das Wasser hat Äste und Abfälle angeschwemmt und liegen gelassen. Auf der unter Wasser stehenden Wiese stolzieren zwei Störche auf der Suche nach Essbarem. Ihr Nest ist nicht weit, sie haben sich auf halber Höhe im Strommast angesiedelt. Kurz vorher im Hafen führten Haubentaucher ihre Jungen aus. Ich bin durch ihr aufgeregtes Geschreiauf sie aufmerksam geworden.

Im nächsten Ort ein Weinstand am Ufer. Überall ausgestreckte nackte Beine, Weingläser in den Händen, zum Entspannen entschlossene Gesichter. Zwei Erpel kommen angeflogen, sofort werden Brotstücke geworfen. Wie hat der Schwan das mitbekommen? Er drängt die Erpel ab, rechnet aber nicht mit dem menschlichen Faktor. Die Brotstücke fliegen weiter den Erpeln zu. Der Schwan ist sichtlich irritiert, bekommt nur ab und an was ab, der lange Hals kommt überall hin. Ein kleiner Hund versucht einen Ast im Wasser zu greifen, die nächste, durch ein Schiff ausgelöste Welle lässt ihn erschreckt zurückspringen. Er bellt den Schwan an, der sich schon bedrohlich nähert, die Federn aufgebauscht, den Kopf nach vorne, laut zischend. Der Hund wird zurückgerufen, der Schwan entspannt sich wieder.

Vereinzelt kommen noch Schiffe in den Hafen herein. Die Gärten der Lokale sind gut besucht, auf der Promenade schlendern viele Paare, sie freuen sich über den Sommer, aber auch darüber, dass die Hitze des Tages nachgelassen hat. Mit dem Rad am Ufer entlang, dort, wo letzte Woche das Wasser noch drei Meter höher stand. Endgültig im Dunkeln durch den Schlosspark, die Papageien haben ihr Geschrei für heute beendet, dafür kreischen jetzt die Krähen. Es sind noch etliche Fußgänger unterwegs, froh, ihren stickigen Stadtwohnungen entkommen zu können. Am Teich sitzt noch eine große Gruppe auf Decken. Durch die Schrebergärten und die Siedlung zurück in die Stadt. Je tiefer wir in die Stadt gelangen, desto heißer wird es. In der Wohnung steht noch die Hitze. Die Dusche erfrischt nur kurz. Die kalte Weinschorle verstärkt noch das Schwitzen. Aber sie ist nötig. Und es ist schön ist, in einer Weinbaugegend zu leben und nicht ständig große Bierkrüge stemmen zu müssen. Die Mauersegler haben schon Feierabend gemacht. Ich jetzt auch.

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Donnerstag, 20. Juni 2013
Kreative Verleugnung

Ich weiss, es nützt nix, sich zu beklagen. Aber ich bin ein Kind der Nachkriegszeit. Ich habe erlebt, dass alles besser wurde, dass der Wohlstand wuchs, und das habe ich auch für mich und mein Leben als selbstverständlich angenommen. Unternehmen wurden aufgebaut, ihre Betreiber wurden wohlhabend allein dadurch, dass sie etwas anboten. Andere wollten haben, was sie anboten. Das funktionierte über Jahrzehnte, in den meisten Branchen. Heute funktioniert das nicht mehr. Autohändler gehen pleite, Druckereien gibt es fast nicht mehr, viele Einzelhändler sind verschwunden, was erst auf dem zweiten Blick auffällt, weil Filialen großer Ketten ihre Räume besetzen. Es geht wenig hierzulande.

Zwar geht es "uns" in diesem Land besser als denen in vielen anderen Ländern, aber vieles wird auch gar nicht erst wahrgenommen. Nämlich, unter welchen Umständen und mit welche kreativen Verleugnungen viele versuchen, Ihre selbstständige Existenz aufrechtzuerhalten.

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Personalvermittlung

Auf seiner Website wirbt dieses branchenspezifische Personalvermittlungsunternehmen mit seiner großen Kundenschaft und seinen Erfolgen in der Vermittlung. Meine Online-Bewerbung wird nach zwei Tagen per Mail beantwortet, mein Werdegang sei interessant, mein Wissen breitgefächert, aber leider käme mein Profil nur sehr selten in Frage, deshalb erübrige sich eine nähere Beschäftigung im Moment. Man käme aber wieder auf mich zu.

Schon klar, was mich unattraktiv macht: mein Alter und meine Selbstständigkeit. Das macht mich in diesem Land offenbar zum Paria.

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